VENEDIG

Die Königin der Adria

Napoleon im Palazzo Balbi

Auf dem Balkon des Palazzo Balbi in Venedig. Im Zuge der Festlichkeiten anlässlich des Besuchs von Napoleon in Venedig veranstaltete die Stadt am dritten Jahrestag der Krönung in Paris eine opulente Regatta mit hunderten Barken und Gondeln auf dem festlich geschmückten Canal Grande. Napoleon beobachtete diese an der Seite des bayerischen Königs vom Balkon des Palazzo Balbi. Die Aussicht von diesem Balkon machte, wie zahlreiche Augenzeugen berichteten, einen unvergesslichen Eindruck auf ihn. Noch in den 1880er-Jahren gab es in Venedig alte Menschen, die erzählten, "wie der große Napoleon sich nicht satt sehen konnte an dem Bild, das der Canal Grande vom Balkon des Palazzo Balbi bietet, und er immer und immer wieder auf diesen Balkon hinaustrat".
Im Eingangsbereich des heutigen Amtssitzes des Präsidenten von Venetien passiere ich eine Sicherheitsschleuse mit einer bewaffneten Beamtin. Eine Steintafel erinnert an den Aufenthalt "Napoleons des Großen", eines Zusatzes, den Napoleon in der Geschichte nicht trägt. Dahinter nimmt mich Signora Vettore, die persönliche Sekretärin des Präsidenten, in Empfang. Während wir eine Steintreppe hinaufgehen, sagt die Signora: "Manchmal wackelt wegen der Wellen das ganze Gebäude."
Im ersten Stockwerk betreten wir einen riesigen Saal mit einer originalen, fast zehn Meter hohen, handbemalten Holzdecke. Der Raum ist mit erlesenen Ölgemälden und Antiquitäten gefüllt; an der Wand befindet sich ein Fresko Veroneses. In der Mitte des Raumes stehen zwei riesige Globen der Patrizierfamilie Balbi aus dem 16. Jahrhundert, vor denen auch schon Napoleon stand. Den feingeschliffenen Steinboden bildet wie im Dogenpalast der berühmte Terrazzo Veneziano. Die Signora führt mich zu einem weißen Vorhang, der fast die gesamte Frontseite des Raumes bedeckt. Sie zieht an einer Kordel und öffnet damit den Vorhang, der den Blick auf eine große Fensterfront freigibt. Wir treten hinaus auf einen äußerst schmalen, langgestreckten Balkon. Als uns gleißend das Licht der Sonne blendet, wird mir in einem Augenblick bewusst, dass ich einen der Höhepunkte meiner Reise durch Europa erreicht habe.